Ab wann sollte am Arbeitsplatz reagiert werden?
Heute werden in erster Linie soziale Netzwerke, Spiele, Fernsehserien, Auktionen, Musik, Sex und Nachrichten auch während der Arbeitszeit missbräuchlich konsumiert.
In vielen Fällen wird Ihnen als Vorgesetzte bzw. Vorgesetzter von anderen Beschäftigten davon berichtet, wenn es Auffälligkeiten in ihrem Arbeitsbereich gibt. Ihre Aufgabe ist es, diesen Hinweisen nachzugehen, sie anzusprechen und sie im Wiederholungsfall zu dokumentieren.
Anzeichen einer möglichen Mediensucht
Sichtbarer privater Medienkonsum in der Arbeitszeit außerhalb der Pause
- Smartphone oder PC werden exzessiv während der Arbeitszeit privat benutzt.
- Wenn die oder der Vorgesetzte oder andere Personen herein kommen, wird der Bildschirm schnell ausgeschaltet.
- Musik oder Filme ohne dienstlichen Bezug werden heruntergeladen.
- Waren oder Dienstleistungen werden in großem Umfang privat bestellt, gekauft oder gebucht.
- Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter ist häufig online, was andere, die den Raum betreten, bemerken.
- Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin ist nicht ansprechbar, weil er oder sie so stark vom Geschehen am PC abgelenkt ist, so dass andere warten müssen.
Unspezifische Folgen
- Beschwerden und Getuschel über die betreffende Person
- Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin wirkt übermüdet. Infolgedessen wird Wichtiges vergessen.
- Unerklärliche Konzentrationsstörungen führen zu gehäuften Fehlern.
- Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin kommt öfter zu spät.
- Er oder sie hat Schwierigkeiten die eigene Tätigkeit zu organisieren.
- Rückenschmerzen und Bandscheibenprobleme durch zu langes Sitzen ohne ausreichende Bewegung können auftreten.
- Es treten häufige Kurzfehlzeiten auf.
- Die Leistung lässt zunehmend nach.
- Stimmungsschwankungen
Die letztgenannten Auffälligkeiten können auch auf zu viel Stress, Medikamentenkonsum, depressive Erkrankungen oder andere Probleme hinweisen.
Hinzu kommt, dass Medienmissbrauch häufig in Verbindung mit Depressionen, Angststörungen oder Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen auftritt.
Fällt jemand mit diesen Anzeichen wiederholt auf, ist zunächst ein Fürsorgegespräch angebracht.
Zur Vorbereitung des Gespräches können Sie die Suchtbeauftragte hinzuziehen.
Warum Vorgesetzte zunächst das Gespräch meiden
Das Thema unkontrollierter, privater Medienkonsum während der Arbeitszeit anzusprechen, erfordert Zeit und ungestörte Rahmenbedingungen. Leider wird die Fürsorge für den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin manchmal nicht mehr wahrgenommen, weil das Problem durch die Nichtverlängerung von befristeten Arbeitsverträgen ohne Anstrengung „gelöst“ werden kann. Dadurch gehen beiden Seiten wertvolle Erfahrungen verloren.
Es gibt es viele Gründe, warum Betroffene gar nicht erst angesprochen werden:
- Die Auffälligkeiten sind unklar. Es könnte alles Mögliche dahinter stecken.
- Die Fürsorgepflicht wird bei Medienmissbrauch nicht als Teil des eigenen Verantwortungsbereiches wahrgenommen.
- Den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin an Pflichten zu erinnern, kann den freiwilligen Einsatz in anderen Bereichen beenden, d.h. die Motivation verschlechtern.
- Die bzw. der Vorgesetzte scheut die durch die Auseinandersetzung verbundene Spannung und die Verschlechterung der Beziehung.
- Die bzw. der Vorgesetzte hat selbst keine klare Haltung.
- Die bzw. der Vorgesetzte ist unsicher, weil er die internen Regeln und die rechtlichen Vorschriften nicht kennt.
- Es ist unklar, in welchem Rahmen und Umfang das private Surfen erlaubt ist.
- Wenn es schon längere Zeit toleriert wurde, fällt es schwer, die Brisanz der Auffälligkeiten zu verdeutlichen.
- Zu wenig Distanz zu den Mitarbeitern, z.B. durch Duzen, kann die Wahrnehmung der Führungsrolle erschweren.
- Es ist unklar, wer eigentlich der zuständige Weisungsbefugte ist.
- Die Aussprache von Konsequenzen fällt schwer, weil der bzw. die Vorgesetzte befürchtet, dass sich andere Beschäftigte mit der betroffenen Person solidarisieren.
Besprechen Sie Ihre Bedenken mit der Suchtbeauftragten und bereiten Sie gemeinsam ein passendes Gespräch vor.
Ein erstes Gespräch bei auffälligem Medienkonsum: Das Fürsorgegespräch
Wenn Sie als Vorgesetzte oder Vorgesetzter besorgt über das auffällige Verhalten
eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin sind, ist es sinnvoll mit einem Fürsorgegespräch zu beginnen:
Positive Einleitung
Ich kenne Sie seit … Jahren und schätze Sie als zuverlässigen und engagierten Mitarbeiter. Heute habe ich Sie zum Gespräch gebeten, weil mir ein Verhalten von Ihnen Sorgen bereitet.
Fakten zum Arbeits- und Leistungsverhalten konkret benennen.
Ich habe es gestern zum dritten Mal erlebt, dass Sie den Bildschirm ausgeschaltet haben, als ich Ihr Büro betrat.
Nachdem dies das erste Mal passiert ist, hatte ich Ihnen gesagt, dass Sie bitte nur in Ihrer Pause Privates am PC erledigen sollen. Beim zweiten Mal, wissen Sie noch, das war bei …, haben Sie folgende für mich merkwürdige Begründung abgegeben …
Dass dieses Verhalten jetzt bereits zum wiederholten Mal am Arbeitsplatz auftritt, zeigt mir, dass Sie damit offensichtlich ein Problem haben.
Nach Nennen des Problems erneut Wertschätzung ausdrücken.
Das wundert mich, weil ich Sie als fachlich versierten, teamfähigen und vertrauenswürdigen Menschen kenne.
Auffälligkeiten im persönlichen, gesundheitlichen, sozialen und Fehlzeitenbereich
nachvollziehbar schildern. Den Zeitraum der beobachteten Veränderung aufzeigen.
Das sehe ich jetzt im Zusammenhang mit Ihrer Aufgabe …, die Sie nicht rechtzeitig fertiggestellt haben. Ich bemerke auch eine zunehmende Unkonzentriertheit.
Seit …. sehen Sie häufig übermüdet aus.
Ich habe festgestellt, dass Sie in letzter Zeit einmal pro Woche verspätet mit Ihrer Arbeit anfangen, erst um … Uhr.
Diese Veränderungen sind mir seit… aufgefallen.
Auswirkungen, Folgen und Bedeutung des auffälligen Verhaltens für den Arbeitsbereich benennen. Eigene Gefühle dazu aussprechen.
Dieses Verhalten hat folgende Auswirkungen… Es gab eine Beschwerde … Das Projekt, an dem auch andere beteiligt sind, verzögert sich …
Ich habe den Eindruck, dass Sie sich in letzter Zeit innerhalb des Teams ein wenig zurückgezogen haben. Ich bedauere das und es erfüllt mich mit Sorge. Das hat zur Folge, dass Sie den Anschluss verlieren … , die anderen demotivieren …, verärgern …
Ich habe mich auch geärgert, als Sie…
Gelegenheit zur eigenen Einschätzung bzw. zum Widerspruch geben.
Zusammenhang zu problematischem Konsum herstellen oder Vermutung äußern.
Ich vermute, dass mehr hinter diesem problematischen Verhalten steckt.
Möchten Sie mit mir darüber sprechen? Oder vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt?
Was wäre für Sie ein sinnvoller Weg dieses Verhalten zu ändern? Was haben Sie bereits selbst probiert? Haben Sie schon fachliche Hilfe in Anspruch genommen?
Konkretes Hilfsangebot
Ich lege Ihnen dringend nahe, während Ihrer Arbeitszeit ein Gespräch mit der Suchtbeauftragten der Leibniz Universität, Frau Schwarz, oder bei einer externen Fachberatungsstelle zu vereinbaren. Sie erreichen sie montags bis donnerstags von 10.00 bis 17.00 Uhr unter der Tel.-Nr. +49 511/ 762-49 08. Sie steht unter Schweigepflicht. Hier sind ihre Kontaktdaten.
Ziel des Gesprächs verstärken.
Sie sehen, ich mache mir ernsthafte Sorgen. Nun hoffe ich, dass Sie dieses Problem angehen und das Angebot in Anspruch nehmen werden.
Was tun, wenn sich nichts ändert? Das Klärungsgespräch
Wenn es wiederum zu Auffälligkeiten am Arbeitsplatz kommt, die zu Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten führen, ist es sinnvoll, ein Klärungsgespräch durchzuführen.
Im Unterschied zu einem Fürsorgegespräch werden Konsequenzen angekündigt und verbindliche Absprachen getroffen sowie ein Bilanzgespräch vereinbart.
Konsequenzen ankündigen
Ich habe mich bei der Suchtbeauftragten beraten lassen um zu erfahren, was ich tun kann: Es gibt ein internes Verfahren zum Umgang mit suchtgefährdeten Beschäftigten, den Interventionsleitfaden mit Stufenplan, an dem ich mich orientieren, und den ich entsprechend anwenden kann. Ich werde Ihr Verhalten weiterhin im Auge behalten. Sollten Sie wieder auffällig werden, würde ich die Entscheidung herbeiführen, ob das 1. Gespräch nach dem Interventionsleitfaden in die Wege geleitet wird.
Terminierung eines Bilanzgesprächs
Ich schlage vor, dass wir uns am … (in 6-10 Wochen) wieder zusammensetzen und besprechen, wie sich die Situation dann für Sie und für mich darstellt.
Anwendung der abgestuften Interventionsgespräche bei wiederholten Auffälligkeiten am Arbeitsplatz
Ob bei mediensuchtgefährdeten Beschäftigten der Interventionsleitfaden mit Stufenplanentsprechend sinngemäß angewendet wird, beraten der oder die unmittelbare Vorgesetze, das Personaldezernat, die Suchtbeauftragte und der Personalrat zunächst gemeinsam.
Bitte bereiten Sie das erste Gespräch gemeinsam mit der Suchtbeauftragten vor.
Ab der zweiten Stufe ist der Personalrat und gegebenenfalls die Schwerbehindertenvertretung auch an der Gesprächsvorbereitung zu beteiligen.
Von der dritten Stufe an (Ermahnung, später Abmahnung) werden die Stufenplangespräche vom und im Personaldezernat durchgeführt.
Das Ziel aller Beteiligten ist es, konkrete Hilfsangebote zu vereinbaren, um die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, und damit den Arbeitsplatz, so lange wie möglich zu erhalten.
Infos zur Prävention und zur Hilfe bei Mediensucht
Kontakt
30167 Hannover